In einem Bereich ist unsere National League die Nummer 1 der Welt: Keine andere Liga wird auf einem so kleinen Raum ausgespielt. Bei zentraler Wohnlage sind 11 der 14 Stadien in einer guten Stunde erreichbar und die restlichen 3 in weniger als 3 Stunden. Bequemer kann gutes Hockey in keinem anderen Land der Welt verfolgt werden.
Was allerdings noch nichts über die sportliche Qualität aussagt. Die einzige Möglichkeit einer sportlichen Standortbestimmung ist die Champions Hockey League. Also der paneuropäische Klubwettbewerb. Daran haben sich diese Saison 24 Klubs aus 11 Ländern beteiligt. Nach der Vorrunde finden wir in der Gesamtrangliste die drei besten NL-Klubs auf den Rängen 2 (ZSC Lions), 3 (Lausanne) und 5 (Gottéron).
Keine andere Liga hat auch nur eine annähernd so gute Bilanz. Die schwedischen Klubs stehen auf den Positionen 1, 6 und 12. Die finnischen Teilnehmer belegen die Plätze 9, 16 und 19. Die Teams aus Tschechien finden wir auf den Rängen 4, 13 und 17. Die DEL kommt auf die Klassierungen 7, 11 und 15. Logisch also, dass die ZSC Lions den Final erreicht haben.
Zum zweiten Mal hintereinander steht ein NL-Team im Endspiel. Vor einem Jahr hat Servette die Champions Hockey League gewonnen. Im Halbfinal haben die ZSC Lions Servette eliminiert und bereits im Achtelfinal standen sich mit Servette und Lausanne zwei NL-Teams gegenüber. Unser Klubhockey rockt.
Warum ist die National League inzwischen sportlich so hochkarätig?
Dafür gibt es im Wesentlichen fünf Gründe.
Erstens profitiert die National League vom Ausschluss der russischen KHL aus dem internationalen Spielverkehr. Die KHL hat die NL auf dem Spielermarkt direkt konkurrenziert. Die besten Spieler aus Schweden, Finnland und Tschechien, die es nicht in die NHL geschafft hatten, wechselten in die KHL. Nun stürmen und verteidigen sie in der Schweiz.
Zweitens erweist sich unter diesen Voraussetzungen die neue Ausländerregelung (Erhöhung von 4 auf 6 Ausländer) vorübergehend als Glücksfall: Die Liga ist so ausgeglichen wie noch nie. Weil sich alle 14 Teams gute Ausländer leisten können. Die mit Schweizern weniger gut besetzten Mannschaften forcieren einfach ihre Ausländer stärker: Bei Ajoie schultern beispielsweise 5 Ausländer mehr als 20 Minuten Eiszeit pro Spiel. Bei den ZSC Lions sind es 2.
Noch nie in ihrer Geschichte hatte unsere höchste Liga so viele so gute ausländische Spieler und noch nie war das sportliche Niveau so hoch. Das Lauf- und Tempohockey in der National League ist auch dank der ausländischen Spieler das spektakulärste in Europa und kurzweiliger als das skandinavische Schablonenhockey.
Drittens sind die NL-Klubs in der Champions League konkurrenzfähiger als die skandinavischen Teams, weil sie wenige Spieler an die NHL verlieren. In Schweden und Finnland wechseln die Besten nach der Saison immer wieder in die NHL. Die Sportchefs und Trainer müssen Jahr für Jahr die Mannschaften neu ausrichten. Aktuell spielen 93 Schweden und 51 Finnen in der NHL. Aber nur 11 Schweizer.
Viertens sind viele Schweizer theoretisch talentiert genug für die NHL. Aber die Lebensqualität und die Saläre in der heimischen Liga sind so hoch, dass sich viele Schweizer die Entbehrungen des nordamerikanischen Hockeys nicht zumuten mögen. Auch deshalb (aber nicht nur) haben wir so wenige Spieler in der NHL.
Fünftens ist durch Investitionen von Privaten und der öffentlichen Hand in den letzten Jahren die Infrastruktur auf den neusten Stand gebracht worden. 9 der 14 Teams spielen in Stadien, die in den letzten Jahren entweder neu gebaut oder auf den neusten Stand gebracht worden sind.
Erstmals in der Geschichte beträgt die durchschnittliche Stadionauslastung mehr als 90 Prozent. Noch in der Saison 2021/22 lag sie bei 76,27 Prozent.
Allerdings steht die Herrlichkeit unseres Klubhockeys auf recht dünnem Eis. Aber das ist eigentlich bei allen sportlichen Erfolgen so. Die Konkurrenz schläft nie und Veränderungen, die im richtigen Leben Jahrzehnte brauchen, gehen im Sport manchmal in Monaten über die Bühne. Nach oben – das ist tröstlich. Oder nach unten – das ist beunruhigend.
Bertold Brecht prägte den Spruch: «Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.» Auf unser Hockey übertragen:
Aber Hand aufs Herz: Eigentlich war das im Hockey-Business schon immer mehr oder weniger so. Wenn es einmal – vorübergehend – nicht mehr so rocken sollte wie heute, dann werden Fragen gestellt. Warum flossen die Mehreinnahmen fast ungebremst in die Spielersaläre und nicht in die Verbesserung der Nachwuchsorganisationen? Warum ist eine Reorganisation der Ligen-Struktur und die Stärkung der zweithöchsten Liga als Basis für die National League in den guten Zeiten unterlassen worden? Warum haben die Sportchefs und Trainer nicht mehr jungen Talenten eine Chance gegeben? Und viele weitere Fragen.
Kein Problem: Eine der Stärken unseres Hockeys war es schon immer, Antworten auf alle möglichen Fragen zu finden.
sehr wenige gedraftet werden.
Ebenso aber haben wir - theoretisch - auch den zweitbesten Chronisten.